Ohne Schmerz könnte der Mensch nicht existieren, denn als Warnsignal im Körper hat er eine überlebenswichtige Funktion. Dauern Schmerzen jedoch länger als sechs Monate, sind sie chronisch und zu einer eigenständigen Krankheit geworden. Etwa 23 Millionen Deutsche sind davon betroffen, rund sechs Millionen so stark, dass die Leiden ihren Alltag erheblich beeinträchtigen. Beim bundesweiten „Aktionstags gegen den Schmerz“ am 4. Juni erklären Experten, was man dagegen tun kann. Auch das Klinikum Passau macht wieder mit.
Hans Conrads ist Facharzt für Anästhesie und ausgebildeter Schmerztherapeut. Er leitet die Schmerzambulanz am Klinikum Passau sowie die Tagesklinik in der Hellge-Klinik und hat tagtäglich mit Betroffenen zu tun. Das ist kein leichter Job, denn die Schmerzbehandlung ist ein schwieriges Pflaster. „Wir wissen zwar, was
hilft, aber oft nicht auf Anhieb wem“, erklärt Conrads das Dilemma. Patienten wie Therapeuten brauchen deshalb viel Geduld, um herauszufinden, was die Schmerzen lindern oder ganz verschwinden lässt. Denn was beim einen wirkt, rührt beim anderen überhaupt nicht an. Auch Edith Ament aus Neuburg am Inn musste einiges ausprobieren. Die 69-jährige leidet seit 30 Jahren an Arthrose. Lange hielt sie die Schmerzen an Oberschenkeln, Schulter und Lendenwirbel ohne jegliche Behandlung aus, bis vor einem Jahr. Als sie die Hausarbeit kaum mehr bewältigen konnte und kurze Wegstrecken zur Tortur wurden, kam sie zu Hans Conrads. Der Leidensdruck war so groß geworden, dass Edith Ament, Zeit ihres Lebens kein Tabletten- Fan, nun auch zur Einnahme von Medikamenten bereit war. „Wir haben viele Präparate getestet, doch nichts half oder hatte starke Nebenwirkungen“, beschreibt Conrads die ersten Monate. Er zog Kollegen anderer Fachrichtungen hinzu, um den Fall ganzheitlich zu betrachten. Ein Orthopäde stellte einen Reizzustand an der Hüfte fest.
„Die Abnutzung muss jedoch nicht operiert werden“, so Conrads. Die Suche nach dem Mittel der Wahl für Edith Ament ging weiter und scheint nun gefunden. Seit einigen Wochen bekommt sie Infusionen mit dem Wirkstoff Lidocain, der die Nervenzellen beruhigt: Die helfen ihr. An manchen Tagen ist Edith Ament sogar völlig schmerzfrei. „Wenn es so bliebe wäre ich sehr zufrieden“, erzählte sie Hans Conrads bei einem Besuch vergangene Woche. Auch der Arzt ist froh, dass er für seine Patientin das Richtige gefunden hat. Mit den Infusionen machen sie nun im verträglichen Rhythmus weiter. „Es darf auch nicht zu häufig sein, sonst gewöhnt sich der Körper“, sagt Hans Conrads. Ohnehin gehe es in der Schmerztherapie nicht darum, die Betroffenen „mit Medikamenten vollzupumpen“, betont Conrads. Das müsse mit Maß und Ziel geschehen. Neben Medikamenten werden den Patienten in Ambulanz und Tagesklinik deshalb auch alternative Strategien zur Schmerzbewältigung nahegebracht, zum Beispiel progressive Muskelentspannung.
„Tag der offenen Tür“ am Klinikum
Der Schmerztag am Klinikum Passau findet am Dienstag, 4. Juni von 14 bis 17 Uhr in der Schmerzambulanz des MVZ am Klinikum Passau auf Ebene 4 statt. Eingeladen sind Betroffene und Angehörige. Das Team aus Ärzten, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten steht allen Besuchern für Fragen zur Verfügung und stellt verschiedene Therapiemöglichkeiten vor. Mit dem „Aktionstag gegen den Schmerz“ machen die Deutsche Schmerzgesellschaft und ihre Partnerorganisationen auf die lückenhafte Versorgung der vielen Betroffenen aufmerksam. Neben den lokalen Veranstaltungen ist am 4. Juni von 9 bis 18 Uhr auch bundesweit eine kostenlose Telefon- Hotline unter 0800/ 18 18 120 eingerichtet.