Begleiten Krebspatienten und informieren sie über die Erkrankung sowie weitere Anlaufstellen: Martina Oswald (r.) und Lana Heim Šarko von der Psychosozialen Krebsberatungsstelle in Passau. Foto: Klinikum
Frau Oswald, Frau Heim Šarko, seit 25 Jahren ist am 4. Februar Weltkrebstag. Damit soll auf die Möglichkeiten der Krebsprävention und -früherkennung aufmerksam gemacht werden.
Oswald: Genau. Das ist ganz wichtig. Denn die rechtzeitige Erkennung kann die Heilungschancen bei vielen Krebsarten erheblich verbessern. Wie und abwann sollte man vorsorgen? Heim Šarko: Die gesetzlichen Kassen übernehmen diese Früherkennungsuntersuchungen: Hautkrebs für Frauen und Männer ab 35 Jahren alle zwei Jahre, Darmkrebs: Dickdarm- und Rektumuntersuchungen für Frauen und Männer ab 50 Jahren; Test auf verborgenes Blut im Stuhl jährlich für 50- bis 54-Jährige; Darmspiegelung für Männer ab 50 Jahren und für Frauen ab 55 Jahren zweimal alle 10 Jahre. Prostatakrebs für Männer ab 45 Jahren einmal pro Jahr, Gebärmutterhalskrebs für Frauen im Alter von 20 bis 34 Jahren jährlich, für Frauen ab 35 Jahren alle drei Jahre, Brustkrebs für Frauen ab 30 Jahren einmal pro Jahr.
Oswald: Grundsätzlich erhöht sich das Krebsrisiko einfach je älter man wird. Die Erkrankungsrate steigt dabei besonders im Alter zwischen 50 und 60 Jahren.
Während Umfragen zufolge diese Vorsorgeuntersuchungen immerhin rund 58 Prozent der Frauen wahrnehmen, sind es nur 38 Prozent der Männer.
Oswald: Diese Zahl ist sicherlich bedenklich. Männer verbinden diese Untersuchungen oftmals immer noch mit viel Angst und Scham, obwohl sie so wichtig sind. Auch bei uns melden sich überwiegend Frauen zur Beratung.
Doch dazu gibt es bereits Untersuchungen,wie wir Männer besser erreichen können. Daraus wurde zum Beispiel das Angebot „Männertreff Online“ entwickelt.
Haben Sie selbst eine Idee?
Heim Šarko: Schwierige Frage. Ich glaube, wir müssen einfach mehr und offener darüber sprechen und immer wieder betonen: Vorsorge ist kein Tabu-Thema und nichts Bedrohliches oder etwas, wovor man Angst haben
muss. Vielmehr kann Vorsorge Leben retten. Vielleicht sollten wir alle es deshalb als ein Ritual betrachten, sich alle paar Jahre untersuchen zu lassen.
...um das Schlimmste zu verhindern: Sie sehen vermutlich tagtäglich die Ungeheuerlichkeit dieser Erkrankung.
Oswald: Ja, die Patienten oder auch ihre Angehörigen melden sich in allen Phasen der Behandlung. Denn wenn man mit so einer Diagnose konfrontiert wird, wirft einen das zunächst natürlich aus der Bahn und man steht
vor vielen Fragen. Insbesondere vor einer: Werde ich wieder gesund?
Wie helfen Sie den Menschen dann weiter?
Oswald: Wir beraten und begleiten Menschen mit Krebs und ihre Angehörigen und unterstützen sie bei allen ihren Fragen.
Heim Šarko: Und darum geht es eben meistens: Die Betroffenen können niemanden gebrauchen, der ihnen einfach nur sagt: „Das wird schon wieder.“ Vielmehr wünschen sie sich eine Begleitung, jemanden, der ihnen zuhört. Diese Gespräche wirken dann sehr emotional entlastend.
Oswald: Das stimmt. Ansonsten informieren wir in der Beratung auch über die Krankheit und helfen bei der Vermittlung an bestimmte medizinische Einrichtungen.
Der Weltkrebstag steht dieses Jahr unter dem Motto „Gemeinsam einzigartig“. Das soll verdeutlichen, dass jeder Patient eine eigene Geschichte, eigene Erfahrungen und Bedürfnisse hat. Macht es das für Sie schwieriger
in der Beratung?
HeimŠarko:Nein,wir passen uns da einfach an. Es ist auch immer wieder sehr berührend, wie die Menschen dabei auch selbst ihren eigenen Weg im Umgang mit der Erkrankung suchen.
Wie lange begleiten Sie die Menschen dann dabei?
Oswald:Das ist ganz unterschiedlich: Manche brauchen nur ein Gespräch, andere mehrere über Monate hinweg. Einen kleinen Teil begleiten wir auch jahrelang oder sie kommen später, wenn die Diagnose schon länger zurückliegt.
Warum?
Oswald: Die Nachsorge ist ein großes Thema bei Krebs. Schließlich können durch die teils heftigen Behandlungsschemata auch Folge haben. Oft sind die Patienten auch einfach nicht mehr so belastungsfähig und suchen deshalb das Gespräch mit uns.
Insgesamt sind Sie drei Psychoonkologinnen in der Beratungsstelle. Wie viele Menschen beraten Sie pro Jahr?
Oswald: 2024 waren es ungefähr 450 Personen und circa 2500 Beratungen. Die Tendenz der vergangenen Jahre zeigt da auch definitiv nach oben.
Was hat das für Gründe?
Oswald: Zum einen die Aufklärung: Ich arbeite mittlerweile seit über 20 Jahren in der Beratungsstelle. Als ich 2004 angefangen habe, konnte allein mit dem Wort „Psychoonkologin“ keiner etwas anfangen, heute ist das ganz normal. Mittlerweile sind wir ein fester Bestandteil in der Versorgung und eng – zum Beispiel mit dem Klinikum – vernetzt (siehe Kasten).
Heim Šarko:Zumanderen gibt es durch die besseren Behandlungsmethoden zum Glück auch einfach mehr Menschen, die Krebs überleben und dann zu uns in die Beratung kommen.
Das ist sicherlich auch ein wichtiger Punkt in der Beratung.
Oswald: Auf jeden Fall. Diesen Fortschritt verdeutlichen immer wieder vor allem denjenigen, die gerade erst ihre Krebsdiagnose erhalten haben: Dank verbesserter Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente leben bundesweit etwa 4,5 MillionenMenschen, die eine Krebserkrankung fünf Jahre überlebt haben. Das ermutigt die Patienten natürlich unglaublich.
Apropos Mutmacher: Im Kampf gegen Krebs könnte es möglicherweise schon bald eine Alternative zu Chemotherapien geben. So rechnet Biontech mit einem Impfstoff noch vor 2030.Wie groß sind Ihre Hoffnungen diesbezüglich?
Oswald: Ich sag mal so: Allein in den vergangenen 20 Jahren, in denen ich jetzt in der Beratungsstelle tätig war, hat sich so unheimlich viel getan und weiterentwickelt. Früher hat man zum Beispiel gesagt, bei Metastasen
besteht keine Chance mehr. Heute sind die Behandlungsmöglichkeiten viel differenzierter und sehr viel spezifischer auf die Erkrankungen zugeschnitten. In manchen Fällen können Patientinnen sogar während der Behandlung arbeiten, was vor 20 Jahren noch unvorstellbar war. Deshalb bin ich mir ganz sicher, dass sich auch in den nächsten Jahren einiges in der Behandlung verbessern wird.
Heim Šarko: Nichtsdestotrotz wird die Krebsprävention und -früherkennung ein essenziell wichtiges Standbein bleiben, damit mehr Menschen weniger schwer an Krebs erkranken.
Angebote am Klinikum
Die Expertinnen der Psychosozialen Krebsberatungsstelle betreuen mit einer Außensprechstunde auch die ambulanten Patientinnen und Patienten des MVZ Onkologie am Klinikum. Ansonsten sind dort – darauf weist die Pressestelle hin – die Psychoonkologie und die Soziale Beratung für die stationären Krebsbetroffenen da. Christian Bäker, einer von vier psychoonkologischen Fachkräften am Klinikum, beschreibt die Aufgabe seines
Teams so: „Im Laufe einer Krebsbehandlung erleben die Patienten ein Auf und Ab der Gefühle. In dieser Zeit kann die Psychoonkologie eine stützende Hilfe sein, indem sie einen geschützten Rahmen für Gespräche
schafft. Hier können Betroffene offen über ihre Sorgen und Ängste sprechen, aber auch Strategien zur Krankheitsverarbeitung und Stressbewältigung entwickeln. Es ist oft schon eine große Hilfe, jemanden an der Seite zu wissen, der zuhört und unterstützt.“ Auf Wunsch beraten die Psychoonkologen auch Angehörige und begleiten Sterbende. Die Beratungen sind – ebenso wie bei der externen Beratungsstelle – kostenfrei und vertraulich.
Eine wichtige Anlaufstelle am Klinikum ist zudem die Soziale Beratung, denn Krebs wirft, so heißt es in der Mitteilung, mitunter komplexe sozialrechtliche und berufliche Baustellen auf. Bei Fragen rund um Krankengeld,
Ansprüche gegenüber der Krankenkasse, Rehabilitation, Hilfen im Arbeitsleben und Schwerbehinderung hilft die Soziale Beratung weiter. Drei Fachleute stehen Patienten und Angehörigen telefonisch und persönlich zur Verfügung: 0851/5300-2268, sozialberatung@ klinikum-passau.de.