Während ihrer Ausbildung sind Pflegekräfte und angehende Ärzte meist in den regulären Krankenhausalltag eingebunden. Sie begleiten das erfahrene Personal, Verantwortung tragen sie nicht. Ein neues Projekt am Klinikum Passau gibt dem Nachwuchs nun die Möglichkeit, schon früh mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und Selbstvertrauen zu gewinnen. Es heißt PIA und steht für „Passauer Interprofessionelle Ausbildungsstation“.
Die PIA ist eine Schulstation mit acht Betten, die sich auf der unfallchirurgischen und orthopädischen Fachabteilung (Station 46) befindet. In diesem Bereich organisieren die Auszubildenden ihre Arbeitstage selbst: Von der Aufnahme der Patienten bis zur Entlassung, von der morgendlichen Planung, wer welche Patienten betreut bis hin zur Übergabe an die Kollegen beim Schichtwechsel, von der Vorbereitung auf eine Operation bis zur Versorgung danach. Dabei werden sie natürlich nicht allein gelassen. „Es ist jeden Tag ein erfahrener Profi eingeteilt, der ihnen Hilfestellung gibt und bei Problemen auch sofort eingreifen kann“, betont Stationsleiter Jürgen Schanzer. Er und sein Team sowie vier Praxisanleiter stehen den angehenden Pflegeprofis mit Rat und Tat zur Seite.
Die ärztliche Leitung der Schulstation hat Privatdozent Dr. Johannes Fakler, der Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Passau. Ansprechpartner für die PJ-Studierenden ist Funktionsoberarzt Dr. Michal Kheck. Auch diese übernehmen die Betreuung der Patienten unter Aufsicht eines ärztlichen Lernbegleiters selbständig: Dazu gehören Aufnahmegespräch, Diagnostik und Therapie, Visite, Medikamentenmanagement und Angehörigengespräche. Zudem haben sie die Möglichkeit einer Assistenz im OP. Auch pharmakologische Visiten mit Mitarbeitern der Klinikums-Apotheke stehen auf dem Programm: Dabei werden Medikamente besonders unter die Lupe genommen und auf Wechselwirkungen sowie Einnahmehinweise hingewiesen.
Die Idee für die PIA hatten Johanna Kapsner und Franziska Brandt von der Praxiskoordination am Klinikum Passau, die auch federführend für die Umsetzung verantwortlich sind. „Der Lernprozess auf einer interprofessionellen Ausbildungsstation ist einzigartig. Die Lernenden haben hier nicht nur die Möglichkeit, eigenständig eine Patientengruppe zu betreuen. Sie tauschen sich auch intensiv mit anderen Berufsgruppen aus und lernen deren Aufgaben kennen“, sind Kapsner und Brandt überzeugt. Gemeinsame Fortbildung fördern diesen Zusammenhalt und verbessern die Kommunikation zwischen den Projekt-Teilnehmern.
Auch die Berufsfachschule für Pflege am Klinikum Passau unterstützt das Projekt. „Unsere Auszubildenden können ihr theoretische Wissen hier sehr gut vertiefen und sie werden mutiger“, sagt stellvertretender Schulleiter Markus Feilhuber. Die Nachfrage ist entsprechend groß. Parallel haben immer sechs Auszubildende verschiedener Kursjahre einen Einsatz auf der PIA, der vier Wochen dauert. Jeden Freitag machen die Lehrer der Schule eine Reflexion mit ihnen, bei denen die Erfahrungen der Woche besprochen werden.
Die erste Bilanz nach dem Start vor wenigen Wochen fällt bei allen Beteiligten positiv aus. Das gilt auch für die Patientinnen und Patienten, die auf der PIA intensiv betreut werden. „Sie fühlen sich hier wohl und gut aufgehoben“, erzählt Johanna Kapsner. Die Erfahrung, die den Studierenden und Auszubildenden noch fehlt, werde durch den höheren Personalschlüssel ausgeglichen. „Damit ist die Zufriedenheit und Sicherheit der Patienten auf der PIA mindestens genauso hoch wie auf den Normalstationen.“ Diese Erfahrung machte auch Roswitha Jungwirth aus Hauzenberg. Sie war eine der ersten Patientinnen, die nach einer Wirbelsäulen-OP auf der Lernstation versorgt wurde. Für die jungen Nachwuchskräfte ist sie voll des Lobes: „Ich fühle mich in guten Händen. Sie tun wirklich alles.“
(ez)