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Was zu tun ist, wenn das Herz verrückt spielt

Experten sprachen über Risiken des plötzlichen Herztods und Vorbeugemaßnahmen

Beim Patiententag im Hörsaal des Klinikums: (v.r.) Dr. Michael Gröbner, Chefarzt Privatdozent Dr. Martin Arnold, Willi Schmöller, Dr. Margit Döring, Chefarzt Prof. Parwis Massoudy und Dipl.-Med. Gerhard Heinecke. (Foto: Beck/Klinikum Passau)

Jedes Jahr sterben in Deutschland 65 000 Menschen am plötzlichen Herztod. Doch das muss kein unentrinnbares Schicksal sein, wenn man Risikofaktoren kennt und vermeidet und weiß, wie man Betroffenen im Notfall helfen kann. Darum ging es beim Patiententag, den die Spezialisten des Klinikums Passau gemeinsam mit niedergelassenen Ärzten im Rahmen der Deutschlandweit stattfindenden Herzwochen veranstalteten. Das ernste Thema zog viele Interessierte an – der Hörsaal war auch in den Abendstunden gut gefüllt.

Wie es zu einem plötzlichen Herzstillstand kommt, erklärte Privatdozent Dr. Martin Arnold, Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Passau: „Die Ursache ist immer Kammerflimmern, eine sehr schnelle Rhythmusstörung der Herzkammern.“ Diese sei jedoch nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Vorhofflimmern, was nicht lebensbedrohlich ist. Das Kammerflimmern komme selten aus heiterem Himmel, betonte Arnold. Häufigste Ursache sei eine Verkalkung und Einengung der Herzkranzgefäße - die koronare Herzkrankheit (KHK) - als Folge von Bluthochdruck, Diabetes oder hohem Cholesterin. „Sind die Gefäße eingeengt, wird zu wenig Blut und Sauerstoff in den Herzmuskel transportiert“, so der Chefarzt. Schlimmstenfalls kommt es dann zu einem akuten Herzinfarkt. Warnzeichen dafür sind starke Brustschmerzen, Luftnot und Kreislaufstörungen. Dann müssen Betroffene umgehend in eine Klinik gebracht werden: Im Herzkatheterlabor kann die Durchblutung des Herzens durch Aufdehnung der Gefäße wiederhergestellt und der Patient gerettet werden. Neben verengten Gefäßen können auch Herzklappenfehler, Herzmuskelentzündungen oder ein angeborener Herzfehler einen plötzlichen Herzstillstand auslösen. „Patienten, die wir diagnostiziert haben, können wir gut schützen“, sagte Arnold. Bei der Allgemeinbevölkerung hingegen sie dies schwieriger. Deshalb sei es wichtig, dass man seine Risikofaktoren kenne und möglichst minimiere.

Jeder einzelne kann etwas dafür tun, damit es erst gar nicht zu einer Herz-Kreislauferkrankung kommt. „Wer sich ausreichend bewegt, gesund ernährt und nicht raucht, senkt sein Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung um 80 Prozent“, lautete die gute Nachricht des Kardiologen Dr. Michael Gröbner (Herzpraxis Salzweg). „Sport ist die beste Medizin“, sagte Gröbner, denn Bewegung kann auch Ablagerungen in den Gefäßen wieder minimieren. Die Dosis-Empfehlung: 150 Minuten pro Woche bei moderaten Sportarten wie Walking oder Radfahren; bei intensiveren Sportarten wie Joggen oder Kraftsport reichen schon 75 Minuten „Es ist nie zu spät. Jeder Schritt zählt, auch Alltagsbewegung“, so Gröbner.

Genauso wichtig ist es jedoch, dass Betroffenen im Falle eines plötzlichen Herzstillstands schnellstmöglich geholfen wird. Auch Laien können dabei Leben retten. „Spielt das Herz verrückt, braucht es einen kräftigen Schlag, damit es wieder in den richtigen Takt kommt“, so Martin Arnold. Die Akuttherapie ist der Elektroschock, ausgelöst durch einen Defibrillator, den jeder bedienen kann. Ist kein Defibrillator in der Nähe, soll sofort mit einer Herzdruckmassage begonnen werde, nachdem geprüft wurde, ob der Betroffene atmet und der Rettungsdienst unter 112 verständigt wurde. In dieser Situation zählt jede Sekunde, denn schon fünf Minuten nach dem plötzlichen Herzstillstand kommt es zu einem Hirnschaden, nach zehn Minuten zum Hirntod. Bei der Herzdruckmassage könne man nichts falsch machen, versicherte Dr. Omar Adjan (Gemeinschaftspraxis Dr. Göttl & Dr. Adjan). „Das Schlechteste wäre, gar nichts zu tun“. Die Faustregel: Zweimal pro Sekunde fest auf den Brustkorb drücken, bis der Notarzt eingrifft. Orientieren kann man sich am Rhythmus des Bee Gees-Songs „Staying alive“. Laut Adjan finden in Deutschland jedes Jahr rund 70 000 außerklinische Reanimationen statt: Die Betroffenen sind im Schnitt 69 Jahre alt und männlich. „Es kann aber in jeder Phase des Lebens passieren“, so Adjan, der jedem empfiehlt, das Erste-Hilfe-Wissen alle drei Jahre aufzufrischen.

Dauerhafte Risikopatienten können sich mit einem implantierten Defibrillator – kurz ICD genannt – vor einem plötzlichen Herzstillstand schützen. Dieses Gerät erkennt Herzrhythmusstörungen und löst im Ernstfall einen Elektroschock aus. ICDs werden unterhalb des Schlüsselbeins entweder unter die Haut oder hinter dem Brustmuskel eingesetzt, wie Dipl.-Med. Gerhard Heinecke (Oberarzt Herzchirurgie Klinikum) erläuterte. Diese werden mittels Elektroden mit dem Herz verbunden. Ein modernes Implantat wiegt 86 Gramm und ist gewebefreundlich, die Laufzeit beträgt etwa acht bis zehn Jahre. „Es ist eine kleine OP mit geringem Risiko, die etwa eine Stunde dauert“, so Heinecke. Wie Patienten mit einem ICD-Implantat leben und worauf sie im Alltag achten müssen, erklärte Dr. Margit Döring (Praxis für Kardiologie). So sollten Störquellen, die starke elektrische Schwingungen hervorrufen können, vermieden werden. Bei der Benutzung von Smartphones oder intakten Haushaltsgeräten bestehe in der Regel ein geringes Risiko. Dies gilt auch für das Fahren von Hybrid- und Elektroautos sowie E-Bikes. Diebstahlsicherungsanlagen in Kaufhäusern hingegen sollten zügig passiert werden. Ganz verzichten sollten ICD-Träger auf Heizdecken, völlig zu vermeiden sind Schweißarbeiten.

Prof. Parwis Massoudy, Chefarzt der Herzchirurgie am Klinikum Passau, führte durch die Veranstaltung. Dabei dankte er auch Willi Schmöller, dem Regionalbeauftragten der Deutschen Herzstiftung, für 20 Jahre Engagement. Mit rund 110 000 Mitgliedern ist die Deutsche Herzstiftung die größte gemeinnützige Patienten-Organisation für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so Schmöller, der sich freute, dass der Patiententag am Klinikum auch nach pandemiebedingter Pause wieder viele Besucher anzog. „Die hohe Resonanz ist nach wie vor da“.

Elke Zanner