Es ist eine Volkskrankheit: Rund 23 Millionen Deutsche leiden an chronischen Schmerzen. Mehr als zwei Millionen so sehr, dass neben dem Körper auch die Psyche stark beeinträchtigt ist. Beim „Tag der offenen Tür“ am Klinikum Passau konnten sich Betroffene und Angehörige darüber informieren, welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Der Andrang war groß.
Hans-Josef Conrads konnte sich vor Fragen der Besucher kaum retten. Der Facharzt für Anästhesie und ausgebildete Schmerztherapeut leitet die Schmerzambulanz auf Ebene 4 sowie die Tageseinrichtung in der Hellge-Klinik. Mit Dr. Andras Steger steht ihm ein weiterer Schmerztherapeut zur Seite, hinzukommen Physiotherapeuten, Psychologen und Ergotherapeuten. Schon die personelle Aufstellung zeigt, dass Schmerztherapie Teamarbeit ist und auf mehreren Säulen basiert. „Wir versuchen den Patienten ganzheitlich zu behandeln“, erklärte Conrads. Reichen Medikamente allein nicht, kommen Krankengymnastik, Entspannungstechniken oder Gespräche mit der Psychologin hinzu. Das Richtige zu finden, ist jedoch eine große Herausforderung und ein Geduldsspiel, denn jeder Patient spricht anders an. „Es gibt leider keine Zaubertablette. Wir können nur das geben, was erfunden ist“, betonte Conrads. Die Schmerztherapie sei deshalb für jeden chronisch Kranken „ein ewiger Kampf“.
Für viele beginnt er schon damit, einen Termin beim Experten zu bekommen. „Schmerzpatienten müssen leider sehr lange warten, weil es zu wenig Therapeuten gibt. Das tut mir total weh“, sagte Hans-Josef Conrads. Mit Ausnahme von Härtefällen müssen sich auch chronisch Kranke aus dem Passauer Raum deshalb bis zu acht Monate gedulden, bis sie einen Termin in der Schmerzambulanz bekommen. Diese Frage beschäftigte die Besucher ebenso wie etwa der Einsatz von Cannabis. „Dazu haben wir noch keine harten Fakten. Wir wissen zu wenig, um es sorgenfrei empfehlen zu können“, sagte Conrads. Zu einem kritischen Umgang rieten Conrads und Steger auch im Umgang mit Schmerzmitteln, die nicht verschreibungspflichtig sind wie etwa Ibuprofen. Bei Einnahme über mehrere Jahre hinweg können auch diese Medikamente Niere oder Gefäße schädigen. „Hier ist es wichtig auf die Dosis zu achten“, so die Ärzte. „Wer zehn Tage im Monate etwas nimmt und 20 Tage nichts, ist damit relativ auf der sicheren Seite“, nannte Conrads als Faustregel für diese Wirkstoffgruppe.
Großes Interesse weckte bei den Besuchern die Therapie mittels eines Pflasters, das eine hohe Dosis des Chili-Wirkstoffs Capsaicin enthält. Dieses wird vor allem bei neuropathischen Schmerzen direkt an der Schmerzstelle aufgebracht. „Das Pflaster reizt die Nerven zunächst bis aufs Blut. Dann schlafen sie ein“, beschrieb Conrads die Wirkungsweise. Im Idealfall hat der Patient dann bis zu drei Monate Ruhe oder weitaus weniger Beschwerden. „Meinem Cousin hilft das sehr gut. Er hatte starke Rückenschmerzen. Nun ist er glücklich“, erzählte eine Besucherin.
Ein weiteres Thema war die Fibromyalgie, bei der Betroffene unter weitverbreiteten Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, Schlafstörungen und starker Erschöpfung leiden. Die Fibromyalgie sei besonders schwer zu therapieren, da es sich um eine Schmerzwahrnehmungsstörung im Gehirn handelt, erklärte Conrads. Betroffene nehmen Schmerzen viel stärker wahr als Gesunde.
Der „Aktionstag gegen den Schmerz“ war eine bundesweite Aktion und fand bereits zum achten Mal statt. Die Deutsche Schmerzgesellschaft und ihre Partnerorganisationen wollen damit jedes Jahr auf die lückenhafte Versorgung chronisch Kranker aufmerksam machen und eine stetige Verbesserung erreichen.
Schmerz-Behandlung ist Teamwork: Den Schmerztherapeuten Hans Conrads (links) unterstützen (v.l.) Sandra Knon (Ergotherapeutin), Auszubildende Miriam Fenzl, Dr. Andras Steger, Stefanie Feiertag (Schmerzassistentin), Sebastian Zaffke (Physiotherapeut), Michaela Reinhard (Psychologin), Wolfgang Rosch (algesiologischer Fachassistent) und Anna Bartsch (MFA). (Foto: Zanner/Klinikum Passau)