Der Schmerz ist ein wichtiges Alarmsignal, wenn im Körper etwas nicht stimmt. Kritisch wird es jedoch, wenn er nicht mehr verschwindet und zur eigenständigen Krankheit wird. Dieses Schicksal teilen in Deutschland Millionen von Menschen, denn chronischer Schmerz ist eine Volkskrankheit wie Diabetes und Bluthochruck. Die Deutsche Schmerzgesellschaft macht mit einem Aktionstag jedes Jahr auf die Nöte der Betroffenen aufmerksam. Am Dienstag, 7. Juni ist dazu von 9 bis 18 Uhr eine kostenlose Hotline unter Telefon 0800/18 18 120 geschaltet. Daran beteiligen sich auch die Schmerz-Experten des Klinikums Passau.
Als Reinigungsfrau hat Brigitte Waldhör ihren Körper viele Jahre lang stark beansprucht. Das blieb nicht ohne Folgen für die heute 75-Jährige. Seit 30 Jahren leidet sie vor allem im Rücken und an den Knien unter Schmerzen, die immer schlimmer wurden. Sie bekam Tabletten, Infusionen, Spritzen, Vereisungen. Doch alle Versuche, die Schmerzen in den Griff zu kriegen, waren nicht von langer Dauer. Schließlich überwies sie der Orthopäde an die Schmerztagesklinik des Klinikums Passau. Diese Einrichtung an der Hellge-Klinik ist eine wichtige Anlaufstation für Menschen aus ganz Niederbayern.
Brigitte Waldhör hatte das Glück, einen Platz in der Tagesklinik zu bekommen. Hier können Betroffene eine 20-tägige Therapie nach „multimodalem Ansatz“ machen. „Multimodal“ bedeutet, dass der Schmerz von verschiedenen Fachrichtungen betrachtet wird, dabei steht der ganze Mensch im Fokus. Neben den Ärzten gehören deshalb auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, algesiologische Fachassistenten und Psychotherapeuten zum Team. Sie entscheiden gemeinsam, welcher Patient am dringendsten einen Therapieplatz braucht. Brigitte Waldhör war so ein Fall. Wie jeder Patient bekam sie einen individuellen Behandlungsplan. Von Woche zu Woche spürte sie eine Linderung und lernte, wie sie auch selbst gegen ihr Leiden aktiv werden kann.
Eine wichtige Rolle spielte dabei Physiotherapeut Sebastian Zaffke, der den Ursachen von Brigitte Waldhörs Schmerzen auf den Grund ging. Zaffke machte Brigitte Waldhör zudem mit Yoga und Qi Gong vertraut. Die Patientin merkte, wie sie damit ihr Schmerzempfinden beeinflussen kann. „Wir geben den Patienten möglichst einfache und effiziente Übungen mit auf den Weg, die sie ohne Geräte auch zu Hause machen können“, erklärt Zaffke. Schließlich sollen sie auch nach der Therapie in der Tagesklinik am Ball bleiben. „Die große Herausforderung besteht in der Verhaltensänderung“, so der Physiotherapeut.
Brigitte Waldhör gelingt das Training in Eigenverantwortung gut. Sie macht täglich Atemübungen, autogenes Training und einfache Yogaübungen wie den Katzenbuckel. Damit sind ihre Schmerzen zwar nicht völlig verschwunden und ganz ohne Medikamente geht es auch heute nicht. Doch insgesamt hat Brigitte Waldhör wieder mehr Lebensqualität gewonnen und neue Freundinnen, die sie in der Therapie kennenlernte. Nach zwölf Monaten haben Patienten der Tagesklinik die Möglichkeit, die Therapie zu wiederholen. Brigitte Waldhör freut sich deshalb auf ihre zweite Chance im Herbst, um Gelerntes aufzufrischen und neue Impulse für die Schmerzbewältigung zu bekommen.
Hans Conrads, der Ärztliche Leiter der Einrichtung, hofft, dass im Juni 2023 wieder ein Tag der offenen Tür möglich ist, um Interessierten die ganze Bandbreite von Ambulanz und Tagesklinik persönlich vorstellen zu können. Aufgrund der Pandemie war dies in den vergangenen zwei Jahren nicht möglich.
Elke Zanner