Die Diagnose Krebs stürzt Betroffene oft in Angst und Verzweiflung. Dank des medizinischen Fortschritts haben Patienten heutzutage jedoch sehr gute Chancen auf Heilung. Beim jährlich stattfindenden Krebs-Informationstag erklärten Experten des Klinikums Passau am Dienstag neue Behandlungsmöglichkeiten und stellen sich persönlichen Fragen der Zuhörer. Zahlreiche Besucher nutzten diese Gelegenheit.
„Krebs ist eine sehr große Herausforderung für die Medizin“, sagte Ärztlicher Direktor Dr. Hans Emmert beim Auftakt der Veranstaltung im Hörsaal, denn neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen trifft Krebs besonders viele Menschen. Die Zahl der Erkrankungen steigt, was vor allem damit zu tun hat, dass die Bevölkerung immer älter wird. „Gott sei Dank tut sich in der medizinischen Entwicklung ständig was“, sagte Emmert. Damit Betroffene eine optimale Therapie bekommen, haben sich am Klinikum Passau die Krebs-Experten in Zentren zusammengeschlossen. Derzeit gibt es vier solcher Zentren: das Onkologische Zentrum, das Darmkrebszentrum und das Gynäkologische Zentrum – ganz aktuell liegt nun auch die Zertifizierung für das Brustkrebszentrum vor. In sogenannten Tumor-Konferenzen besprechen die Ärzte fachübergreifend jeden Patientenfall ganz individuell und suchen gemeinsam nach der bestmöglichen Behandlung. Neben der Therapie sei es aber ebenso wichtig, dass Betroffene und ihre Angehörigen über die Erkrankung gut Bescheid wissen, so Emmert. Dafür sei der Krebs-Informationstag gedacht. Auch Prof. Thomas Südhoff, Chefarzt der Onkologie am Klinikum, appellierte an die Anwesenden, dieses niederschwellige Angebot zu nutzen. Krebspatienten, deren Immunsystem ohnehin geschwächt ist, legte er zudem eindringlich ans Herz, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Dies gelte auch für deren Lebenspartner.
In seinem Fachvortrag ging Prof. Südhoff insbesondere auf die Immun-Onkologie ein, die für die Tumortherapie einen Riesenfortschritt darstellt. Neben bekannten Behandlungsmöglichkeiten wie Chemotherapie, Bestrahlung und Chirurgie spielt diese Therapie eine immer größere Rolle. Auch am Klinikum Passau wird schon seit Jahren mit Antikörpern gearbeitet, die Tumorzellen vernichten können. Besonders wirksam sind sogenannte „Immuncheckpoint“-Antikörper, die in der Lage sind, verborgene Tumorzellen für das Immunsystem des Patienten wieder kenntlich zu machen. Diese Therapie wird überwiegend gut vertragen und verlängert vielen Patienten das Leben. Zusammen mit einer Chemotherapie für die Eingangsbehandlung bekommt heute fast jeder Patient mit Lungenkrebs eine solche Therapie. Vor falschen Hoffnungen muss jedoch gewarnt werden. So schlage diese Therapie zum Beispiel bei den meisten Patienten mit Darmkrebs nicht an, bedauert Südhoff.
Um die Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung erträglicher zu machen, wünschen sich viele Patienten ergänzende Behandlung, sogenannte „komplementäre Medizin“. „Mindestens jeder zweite Patient nimmt diese Medizin in Anspruch, das ist nichts Esoterisches“, betonte Dr. Axel Eustachi vom Kompetenzzentrum für komplementäre Medizin und Naturheilkunde in München. Anders als die Schulmedizin schaut die komplementäre Medizin auf den gesunden Anteil im Organismus des Patienten, versucht, diesen zu stärken und seine Lebensqualität damit zu verbessern. Mit welchen Mitteln dies am besten gelingt, ist jedoch von Patient zu Patient völlig verschieden, deshalb gibt es kein Patentrezept. Zu den Säulen der komplementären Medizin zählen die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), pflanzliche Substanzen (z.B. Misteln, Curcumin, Grüner Tee, Salbei) und Entspannungsübungen. Wissenschaftlich geprüft sind bislang jedoch nur wenige Methoden. Eustachi warnte deshalb davor, auf eigene Faust mit komplementärer Medizin zu experimentieren, ohne dies den behandelnden Ärzten zu kommunizieren: „Sprechen Sie offen über ihre Wünsche und Beschwerden.“ Was keinem Patienten schade sei ausausreichende Bewegung und gesunde Ernährung, betonte Eustachi.
Um Diagnostik und Therapie der häufigsten Krebserkrankungen ging es in den zeitgleich stattfindenden Themensitzungen. Chefarzt Prof. Helmut Grimm referierte über Darmkrebs, Dr. Emese Balogh über Gebärmutterhalskrebs und HPV-Impfung, Dr. Johannes Gebauer und Ludwig Prügl über Lungenkrebs. Krebs und Ernährung war das Thema von Dr. Julia Lanznaster. Bei Prof. Thomas Krauß, dem Chefarzt der Frauenklinik, stand der Brustkrebs im Fokus, der jede 8. Frau im Laufe ihres Lebens betrifft. Pro Jahr gibt es in Deutschland rund 70 000 Neuerkrankungen und 17 000 Todesfälle. Damit es nicht so weit kommt, muss der Tumor im Frühstadium erkannt werden, etwa durch Mammografie und Sonografie. Mit entsprechender Therapie stünden die Heilungschancen dann bei annähernd 90 Prozent. Frauen, die eine Operation brauchen, werden anders als noch vor Jahrzehnten so schonend wie möglich behandelt. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ lautet die Richtlinie bei der Entfernung des Gewebes. „Wir versuchen jedoch immer, brusterhaltend zu operieren“, betonte Krauß. Für einen guten Verlauf der Behandlung und eine positive Prognose bräuchten Patientinnen aber auch Vertrauenspersonen, die ihnen in der Krankheit beistehen, so der Chefarzt.
Elke Zanner