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Künstliche Ernährung - ein Thema mit Konfliktpotenzial

„Essen und Trinken am Lebensende“ stand im Fokus des Palliativsymposiums

Das Foto zeigt (v.r.): Prof. Thomas Südhoff, Hans Butz, Dr. Stefan Dallinger, Dr. Madeleine Schildhammer, Dr. Manuela Mußler (hinten), Dr. Andrea Stark sowie Hassan Al-Khatib. (Foto: Zanner/Klinikum Passau)

Essen und Trinken sind Grundbedürfnisse eines gesunden Menschen. In der Sterbephase lassen Hunger und Durst jedoch nach, was völlig natürlich ist. Gerade Angehörige haben dann häufig Angst, dass der Patient verhungert oder verdurstet und verlangen nach künstlicher Ernährung. Das führt nicht selten zu Konflikten mit den behandelnden Ärzten und Pflegekräften. Beim 14. Palliativsymposium am Klinikum stand das emotionale Thema „Essen und Trinken am Lebensende“ deshalb im Fokus. Neben Fachpublikum kamen auch Laien zu der Veranstaltung in den gut gefüllten Hörsaal. Eingeladen hatten Prof. Thomas Südhoff, Chefarzt der Onkologie, und Dr. Madeleine Schildhammer, Leitende Oberärztin der Palliativstation.

„Der Mensch stirbt nicht, weil er nichts mehr isst, sondern er isst nichts mehr, weil er stirbt.“ – Dieser Satz stammt von der englischen Ärztin Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung und Pionierin der Palliativmedizin. Für Dr. Madeleine Schildhammer ist dieses Zitat die Schlüssel-Botschaft, um zu vermitteln, was im Körper eines Sterbenden vor sich geht. Diesen Prozess anzunehmen, fällt jedoch vor allem jenen schwer, die einen lieben Menschen gehen lassen müssen. Viele Angehörige haben Angst, dass der Sterbende verhungert oder verdurstet, fühlen sich verantwortlich, wenn sie nichts unternehmen und drängen deshalb auf künstliche Ernährung. Druck lastet insbesondere auf jenen, die als Vorsorgebevollmächtigte im Sinne des Patienten handeln sollen. Doch auch wenn Angehörige nur das Beste wollen, tun sie dem Sterbenden damit meist nichts Gutes.

„Als Sterbephase werden die letzten drei bis sieben Lebenstage eines Menschen betrachtet. In dieser Zeit sollte eine künstliche Ernährung weder begonnen noch fortgeführt werden“, erklärte Dr. Madeleine Schildhammer. Alle medizinischen Studien belegen, dass dies mehr Schaden als Nutzen bringt. Durch Flüssigkeitseinlagerung in die Lunge wird die Atemnot erhöht, es kann vermehrt zu Übelkeit kommen. Außerdem kann zu viel Flüssigkeit im Körper Schmerzen verstärken. In der Sterbephase stehe deshalb die bestmögliche Lebensqualität und eine würdevolle Unterbringung des Patienten im Vordergrund. Für diese letzte Lebensphase gibt es gute Richtlinien, so Schildhammer. Weitaus schwieriger ist es jedoch bei Patienten mit einer Lebenserwartung von ein bis drei Monaten. In diesen Fällen müsse immer individuell entschieden werden.

„Künstliche Ernährung am Lebensende ändert nichts an der Lebenserwartung, der Lebensqualität oder der Ernährungssituation. Und es darf auch nicht Zweck der Pflegereduktion sein“, betonte Hassan Al-Khatib, der das Thema aus Sicht der Gastroenterologie beleuchtete. Die Ärzte dieses Fachgebiets sind für das Legen von Ernährungssonden zuständig. Dabei gibt es zwei hauptsächliche Möglichkeiten: Die Sonde kann über die Nase („nasogastral“) eingeführt und genutzt werden, oder ein Schlauch wird direkt durch die Bauchwand in den Magen gelegt. Hier spricht man von einer sogenannten PEG-Sonde („perkutane endoskopische Gastrostomie“). Laut Al-Khatib habe sich die gesellschaftliche, rechtliche und ärztliche Sicht für den Einsatz von Ernährungssonden in den letzten Jahren dahingehend gewandelt, dass am Lebensende künstliche Ernährung das körperliche und emotionale Wohlbefinden nicht erhalten oder steigern kann, die Lebenserwartung nicht erhöht und daher nicht angestrebt werden sollte. Hassan Al-Khatib begrüßt dies: „Wir sind erleichtert, wenn wir dann keine Sonde mehr legen müssen, von denen der Patient nicht profitiert.“ Denn für den Patienten kann dies sogar eine Belastung und Verschlechterung bedeuten. So stellen Nasensonden häufig einen Fremdkörper dar, stören beim Sprechen und Schlucken oder scheuern in der Speiseröhre. Eine PEG-Sonde wiederum kann zu Blutungen oder Entzündungen führen. Man nehme dem Patienten eventuell Fürsorgezeit durch den Wegfall von Mahlzeiten. Schonender sei das Ausschöpfen konservativer Maßnahmen. Dazu gehöre mehr Zeit bei der Gabe von Essen, bei der auch Angehörige eingebunden werden können, das Angebot der Lieblingsspeisen oder das Befeuchten des Mundes mit Eisstückchen.

Oberarzt Dr. Stefan Dallinger beleuchtete das Thema Schluckstörungen aus neurologischer Sicht, er ging speziell auf Patienten mit Schlaganfall und Demenz ein. Schlaganfall-Patienten hätten zwar in der Akutphase oft mit Schluckstörungen zu kämpfen, meist komme es aber im weiteren Verlauf spontan oder durch gezielte Beübung zu einer Besserung der Beschwerden. Überbrückend könne hier eine Magensonde (oder im Einzelfall auch PEG) durchaus einen Stellenwert haben. Bei fortgeschritten dementen Patienten bestehe hingegen ein solches Besserungs-Potenzial nicht. Insgesamt mahnte auch Dallinger zur Zurückhaltung. „Es gibt keinen Beweis für Nutzeffekte einer PEG bei fortgeschrittener Demenz.“ Die behandelnden Ärzte seien besonders gefordert, die Angehörigen aufzuklären und falsche Vorstellungen auszuräumen. Wichtig sei es, dem Patienten keinen Schaden zuzufügen und dessen Willen zu respektieren.

Alle Referenten waren sich einig, dass dies nur durch intensive Kommunikation gelingen könne. „Um Patienten ein würdiges Lebensende zu ermöglichen, ist der Schulterschluss aller Beteiligten das Wichtigste. Wir müssen reden, reden, reden“, lautete das Fazit von Dr. Madeleine Schildhammer. 

Im zweiten Teil des Symposiums stellten Dr. Andrea Stark (SAPV Passau) sowie Stationsärztin Dr. Manuela Mußler und Palliativ Care-Pflegekraft Hans Butz (beide auf der Palliativstation des Klinikums tätig) Patientenverläufe vor. Matthias Steininger, Diätassistent am Klinikum Passau, berichtete über alternative Ernährungsmöglichkeiten bei Schluckbeschwerden. Werner Kloiber von den Maltesern stellte das Projekt „Herzenswunsch-Mobil“ vor. Dabei erfüllen Rettungssanitäter auf Freiwilligenbasis todkranken Menschen einen Herzenswunsch, sei es der Besuch bei Verwandten oder eines besonderen, wichtigen Ortes. Finanziert wird dieses Projekt von Spendengeldern.

Elke Zanner

 

Das Foto zeigt (v.l.): Prof. Thomas Südhoff, Hans Butz, Dr. Stefan Dallinger, Dr. Madeleine Schildhammer, Dr. Manuela Mußler (hinten), Dr. Andrea Stark sowie Hassan Al-Khatib. (Foto: Zanner/Klinikum Passau)