Die Diagnose Krebs ist für Betroffene und deren Angehörigen oft ein großer Schock. Bei vielen Tumorerkrankungen gibt es heute jedoch sehr gute Heilungschancen, wenn die Krankheit frühzeitig erkannt wird. „Auch in Zeiten von Corona macht der medizinische Fortschritt keinen Halt. Deshalb ist uns der Kontakt zu den Patienten wichtig“, sagte Prof. Thomas Südhoff, Chefarzt der Onkologie am Klinikum Passau, anlässlich des 6. Krebsinfotag, bei dem Spezialisten des Hauses über häufig auftretende Krebserkrankungen und Therapiemöglichkeiten referierten. Die Veranstaltung fand heuer erstmals im Hybrid-Format statt: Interessierte konnten die Vorträge live im Hörsaal oder per Zoom zuhause am Bildschirm mitverfolgen.
Damit Betroffene eine optimale Behandlung bekommen, arbeiten am Klinikum Passau alle Abteilungen, die an der Behandlung von Krebspatienten beteiligt sind, fachübergreifend in Krebszentren zusammen. Hier wird jeder Patientenfall individuell besprochen, Ärzte und Therapeuten suchen gemeinsam nach der besten Lösung. Von den Vorteilen dieser engen Kooperation ist nicht nur Oberarzt Peter Kotschenreuther, Chirurg im Darmkrebszentrum, fest überzeugt: „In einem Zentrum muss die Behandlung immer auf hohem Niveau sein. Deshalb haben Patienten, die hier behandelt werden, weniger Komplikationen.“ Seit 2008 wurden am Darmkrebszentrum des Klinikums knapp 1800 Patienten behandelt, pro Jahr werden etwa 750 Nachsorgeuntersuchungen durchgeführt. Bei 85 Prozent der Betroffenen entstehe der Tumor durch Polypen, die mehrere Jahre im Körper schlummern und dann entarten, erklärte Kotschenreuther. Damit es erst gar nicht so weit kommt, spielt die Vorsorge eine wichtige Rolle: Bei einer Darmspiegelung werden Polypen am besten gleich entfernt, was auch bei ganz kleinen Tumoren möglich ist. Hat der Tumor eine gewisse Größe überschritten, sei „allein die chirurgische Therapie erfolgsversprechend“, so Kotschenreuther.
Als besonders aggressive Krebserkrankung mit schlechter Prognose gilt der Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskrebs). „Leider ist auch die Diagnose sehr schwierig“, sagte Boguslaw Gruszczynski, Leitender Oberarzt der Chirurgie. Da dieser Krebs lange keine Beschwerden bereitet, wird er meist sehr spät entdeckt. Zudem sind nur 20 Prozent dieser Tumore operabel. „An die Bauchspeicheldrüse kommt der Chirurg nur schwer heran. Zudem sind die Gefäße um das Pankreas herum sehr komplex und dürfen nicht verletzt werden“, beschrieb Gruszczynski die Problematik. Die Durchführung einer Pankreas-OP gehört zu den schwierigsten und erfordert höchstes Fingerspitzengefühl.
Dr. Martin Dengler, Leitender Oberarzt der Gynäkologie, berichtete über Krebserkrankungen bei Frauen. Leider gibt es für den Gebärmutterhöhlenkrebs, im Gegensatz zum Gebärmutterhalskrebs, keine etablierte Screeningmethode zur Krebsfrüherkennung. Mit der Vaginalsonographie könne zwar die Gebärmutterschleimhaut gut beurteilt werden, dennoch kommen aber viele Patientinnen erst mit Blutungen zum Arzt und häufig liegt dann bereits ein Krebs im Bereich der Gebärmutterschleimhaut vor. Risikofaktoren für Frauen seien unter anderem Übergewicht und Bluthochdruck, der Altersdurchschnitt der Betroffenen liegt bei 69 Jahren. Bei der Therapie stehe immer eine OP im Vordergrund. Als „sehr tückische“ Erkrankung beschrieb Dengler auch den Eierstockkrebs. Dieser entstehe manchmal aus heiterem Himmel und führe dazu, dass gesunde Frauen plötzlich sehr schwer erkranken. Da Betroffene sehr lange keine oder nur unspezifische Symptome haben, sind häufig schon weitere Organe befallen, wenn die Krankheit festgestellt wird. Gebärmutterhalskrebs hingegen könne durch Früherkennung (Abstrich) und eine hochwirksame Impfung gänzlich vermieden werden.
Das Thema Brustkrebs stand bei Prof. Thomas Krauß, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums, im Fokus. Dies ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Bundesweit gibt es jährlich rund 70 000 Neuerkrankungen und 17 000 Todesfälle. Um gute Heilungschancen zu haben, muss der Tumor im Frühstadium erkannt werden, etwa durch Mammografie und Sonografie. Ist eine Brust-OP unumgänglich werden Frauen heute im Gegensatz zu früher so schonend wie möglich behandelt. „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“ beschreibt Krauß die Richtlinie bei der Entfernung des Gewebes. Um eine Brustkrebs-Erkrankung gut zu überstehen, sei neben der Therapie aber auch starke Partner der Patientinnen im sozialen Umfeld von großer Bedeutung.
Die Behandlung bei bösartigen Erkrankungen des Blutes wie Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs schilderte Dr. Julia Lanznaster, Oberärztin in der Onkologie, anhand zweier Patientenfälle aus dem Zentrum für Hämatologische Neoplasien. Gerade auf diesem Gebiet hat sich in den vergangenen Jahren medizinisch viel getan. Zu den innovativsten Neuerungen gehören die zellulären Therapieformen und die Immuntherapien. Julia Lanznaster erklärte wie die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie funktioniert. Dabei werden T-Zellen aus dem Blut des Patienten entnommen und gentechnisch so verändert, dass sie gegen krebsspezifische Oberflächenproteine gerichtet sind.
Um die Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung verträglicher zu machen, wünschen sich 75 Prozent der Patienten neben der Schulmedizin auch Naturmedizin, sogenannte „komplementäre“ Therapien. „Komplementäre Medizin ist immer ergänzend, aber nie eine Alternative zur Schulmedizin“, betonte Gynäkologin Dr. Dominque Giang in ihrem Vortag. Zu den wesentlichen Säulen der Komplementärmedizin zählen die Traditionelle Chinesische Medizin, pflanzliche Substanzen (Misteln, Salbei, etc.) oder Entspannungsübungen. Sehr wichtig für alle Krebs-Patienten aber auch zur Vorbeugung einer Erkrankung sei ist ein gesunder Lebensstil: gute Ernährung, ein normales Gewicht und regelmäßige Bewegung.
Die einzelnen Referate und weitere Videos zum Thema Krebs sind bis 2. Dezember unter www.klinikum-passau.de/krebsinfotag2021 abrufbar.
Elke Zanner