Jeder Mensch hat in seinem Leben irgendwann einmal Kopfschmerzen. Aber: Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz, denn die Ursachen sind mannigfaltig und reichen von harmlos bis potentiell lebensbedrohlich. Am Klinikum Passau ist Prof. Tobias Freilinger, Chefarzt der Neurologie, ein Spezialist für Kopfschmerzen. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) hat er kürzlich das 1. Passauer Kopfschmerz-Symposium initiiert.
Corona bedingt fand die Veranstaltung virtuell statt, was jedoch kein Nachteil war. „Dadurch hatten wir eine sehr große Reichweite. Aus ganz Deutschland waren mehr als 130 Teilnehmer zugeschaltet“, freut sich Tobias Freilinger über das große Interesse an dieser Fortbildungsveranstaltung, die sich an Neurologen aber auch an Ärzte anderer Fachgebiete richtete, die regelmäßig mit der Behandlung von Kopfschmerz-Patienten zu tun haben.
Experten unterscheiden zwei große Hauptgruppen von Kopfschmerzen. Die „sekundären Kopfschmerzen“ treten als Symptom oder Folge einer anderen zu Grunde liegenden Erkrankung auf. Die „primären Kopfschmerzen“ hingegen sind eine eigenständige Erkrankung. Hauptmerkmal ist das wiederkehrende Auftreten von Kopfschmerzattacken wie etwa bei der Migräne, an der gut 15 Prozent der erwachsenen Menschen leiden. Der erste Teil der Fortbildung widmete sich auch dieser Volkskrankheit. Im Vortrag von Dr. Victoria Ruschil (Universitätsklinikum Tübingen) ging es um den aktuellen Wissensstand und die Leitlinien in der Migräne-Prophylaxe. Neben medikamentösen Ansätzen durch die Einnahme von vorbeugend wirksamen Medikamenten wie etwa Beta-Blockern betonte sie den hohen Stellenwert nicht-medikamentöser Vorbeugung. Dazu gehören zum Beispiel Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelrelaxation (PMR). Seit 2018 ist zur Prophylaxe der Migräne auch die Behandlung mit Antikörpern gegen ein bestimmtes Schlüsselmolekül zugelassen. Erfahrungen aus der Praxis mit dieser noch neuen Therapieform schilderte Privatdozentin Dr. Stefanie Förderreuther (Neurologische Klinik der Universität München und 1. Vizepräsidentin der DMKG). Einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen in der Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne gab Privatdozent Dr. Torsten Kraya (Klinikum St. Georg/Leipzig).
Eine im Vergleich zur Migräne sehr seltene, aber maximal schwere Kopfschmerzerkrankung ist der sogenannte Cluster-Kopfschmerz. Hier kommt es zu extrem starken, streng einseitigen Kopfschmerzattacken von bis zu drei Stunden Dauer, begleitet von körperlicher Unruhe und anderen Symptomen wie Rötung oder Tränen des Auges. Den aktuellen Wissensstand zur Diagnose und Therapie dieses Krankheitsbilds, das in erster Linie jüngere Männer betrifft, erläuterte der Präsident der DMKG, Privatdozent Tim Jürgens (Klinikum Güstrow). Im Beitrag über „Gesichtsschmerzen“ ging es ebenfalls um ein schwieriges Thema. Erst in den letzten Jahren wird zunehmend versucht, durch eine neue Klassifikation einzelne Unterformen des Gesichtsschmerzes voneinander abzugrenzen, wie Dr. Christian Ziegeler (Neurologie am Klinikum Passau) in seinem Update aufzeigte.
Im letzten Vortrag widmete sich Prof. Freilinger anhand von Fallbeispielen aus der klinischen Praxis sekundären Kopfschmerz-Formen, die durch Erkrankungen der hirnversorgenden Gefäße verursacht werden und die in der Akut-Neurologie regelmäßig eine Rolle spielen. Dies sind zum Beispiel Kopfschmerzen, die durch ein geplatztes Aneurysma oder durch spontane Einrisse der Gefäßwand entstehen.