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Eine starke Allianz gegen den Brustkrebs

Zertifiziertes Brustkrebszentrum am Klinikum Passau im Rahmen von Symposium vorgestellt – Alle Disziplinen unter einem Dach

OB Jürgen Dupper, Prof. Thomas Krauß und Dr. Ulrich Krause (RADIO-LOG) bei der Eröffnung des Symposiums. (Foto: Zanner/Klinikum Passau)

Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau: Jedes Jahr treten in Deutschland rund 73 000 Neuerkrankungen auf, allein in Stadt und Landkreis Passau waren es im vergangenen Jahr mehr als 400. Für jede Betroffene ist diese Nachricht zunächst ein Schock. Doch bei frühzeitiger Diagnose können heutzutage etwa 85 Prozent der Frauen geheilt werden. Die bestmögliche Behandlung ist auch das Ziel des neu zertifizierten Brustkrebszentrums am Klinikum Passau: Hier haben sich alle Fachrichtungen, die an der Therapie von Brustkrebs beteiligt sind, unter einem Dach zusammengeschlossen – von der Gynäkologie bis hin zur Strahlentherapie. Bei einem Fachsymposium im Klinikum mit Experten aus ganz Deutschland informierten sich mehr als 80 Ärzte aus Klinik und Praxis über neueste Entwicklungen in der Brustkrebstherapie.

Das Brustkrebszentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt des Klinikums Passau und RADIO-LOG, wodurch Brustkrebsvorsorge, Diagnostik und Therapie eng verzahnt werden. „Mehr als 200 Patientinnen mit Brustkrebs werden hier pro Jahr behandelt. Wir sind sehr stolz darauf, Teil dieses Zentrums zu sein“, so  Dr. Ulrich Krause, Facharzt für Diagnostische Radiologie und Leiter des MVZ bei RADIO-LOG zur Eröffnung des siebenstündigen Symposiums. Neben einer optimalen Therapie werde auch die Lebenssituation der Frauen berücksichtigt und psychologische Hilfe angeboten. „Dieses Gesamtpaket ist der Auftrag des Brustkrebszentrums“, betonte Krause. Die qualitativ hochstehende Versorgung sei auch ein wichtiges Anliegen von Stadt und Landkreis Passau, betonte OB Jürgen Dupper.

Treibende Kraft bei der Realisierung des Zentrums war Prof. Thomas Krauß, Chefarzt der Gynäkologie am Klinikum Passau und Gastgeber des Symposiums. Die Bündelung aller relevanten Kräfte unter einem Dach war ihm schon lange ein Anliegen: Hier sollen Frauen in allen Phasen ihrer Erkrankung betreut werden. Dass dies auf medizinisch hohem Niveau geschieht, bestätigte die Deutsche Krebsgesellschaft durch die Erstzertifizierung des Brustkrebszentrums. „Das Mammakarzinom hat aufgrund seiner Häufigkeit und seiner Bedeutung für das Körperbild eine besondere Bedeutung für die Frau und führt bei den Betroffenen häufig zu einer starken emotionalen Erschütterung“, sagte Krauß. Medizingeschichtlich ist das Mammakarzinom der älteste, schon in der Antike beschriebene Krebs. Erste Dokumente über Brustkrebsoperationen finden sich bereits im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Bis Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts war die radikale Operation mit Entfernung der gesamten Brust das Standardverfahren. Das ist zum Glück in den allermeisten Fällen vorbei.  Heute gilt: So viel Gewebeentfernung wie nötig, so wenig wie möglich, wobei auch plastische Operationsverfahren zum Einsatz kommen. Ein Teil der Patientinnen mit Risikotumoren erhalten vor der Operation eine medikamentöse Therapie, die dann sofort im ganzen Körper wirkt und eine Streuung des Tumors verhindern soll, erläuterte Krauß.

In den „Tumorkonferenzen“ des Brustkrebszentrums besprechen die beteiligten Fachdisziplinen jede Patientin und empfehlen das weitere Vorgehen. Die Zusammenarbeit der operierenden und weiterbehandelnden Abteilungen klappe dabei sehr gut, bestätigte Prof. Thomas Südhoff, Chefarzt der Onkologie am Klinikum Passau. In seinem Vortrag ging es um neue Therapiemöglichkeiten bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Tumorleiden. Dabei konnte in den letzten Jahren durch den Einsatz neuer immunologischer Substanzen, die zielgerichtet den Tumor angreifen und gesundes Gewebe schonen, eine deutliche Prognoseverbesserung bei weniger Nebenwirkungen erreicht werden.

Prof. Michael Untch, Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Helios-Klinik Berlin-Buch, stellte medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten beim frühen Mammakarzinom vor und fasste die wichtigsten Erkenntnisse der internationalen 2019 zusammen. „Vor dem Einsatz bestimmter Gentests zur Klärung, ob eine Chemotherapie notwendig ist, appelliere ich daran, den gesunden Menschenverstand einzusetzen“, sagte Untch. Bei vielen, insbesondere kleinen Tumoren sei eine Chemotherapie gar nicht sinnvoll.

Frauen mit familiär besonders hohem Brustkrebsrisiko können die Brustdrüsen unter der Haut prophylaktisch entfernen lassen. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Schauspielerin Angelina Jolie. Prof. Sherko Kümmel, Direktor der Klinik für Senologie am Interdisziplinären Brustkrebszentrum in Essen Mitte bemerkte, dass Frauen, die sich für diesen Schritt entscheiden, zu 98 Prozent von Brustkrebs verschont bleiben. Nach einer Brustentfernung wünschen sich die meisten Patientinnen einen Wiederaufbau der Brust, was wesentlich zur Krankheitsbewältigung und einem besseren Selbstwertgefühl der Frauen beiträgt. Prof. Lukas Prantl, Direktor der Klinik für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Regensburg, erläuterte die verschiedenen Möglichkeiten der Rekonstruktion. Neben Implantaten ist der Aufbau auch sehr gut mit Eigengewebe, das vorwiegend am Bauch entnommen wird, möglich.

Nach einer brusterhaltenden Operation ist die Bestrahlung nach wie vor essentieller Bestandteil zur Behandlung des Mammakarzinoms, um die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu senken. Priv.-Doz. Dr. Stefan Wachter (RADIO-LOG MVZ Strahlentherapie am Klinikum Passau) erläuterte die Vorzüge der moderne Bestrahlungsverfahren, insbesondere um Nebenwirkungen an Nachbarorganen wie Herz und Lunge zu vermeiden. „Fast alle Frauen profitieren davon“, sagte Wachter. Die durchschnittliche Behandlungsdauer hat sich dadurch für die Patientinnen bereits von sieben auf fünf Wochen reduziert.

 

Um die Nebenwirkungen der Therapie zu reduzieren oder einfach um sich selbst etwas Gutes zu tun, wünschen sich 75 Prozent aller Krebspatienten  neben der „Schulmedizin“ weitere Behandlungsmöglichkeiten. Hier kommt die „komplementäre“ oder ergänzende Medizin zum Einsatz. Dr. Dominique Giang, Gynäkologin am Klinikum Passau, stellte verschiedene Möglichkeiten vor. Dazu zählen unter anderem Ayurveda, Akupunktur, Misteltherapie, die Traditionelle Chinesische Medizin oder auch die Homöopathie. Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Entspannungstechniken sind wichtige Säulen der Komplementärmedizin. „Wir unterstützen die Patientinnen dabei, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren und raten ihnen zu einem gesunden Egoismus. Frauen mit einer Tumorerkrankung sollen sich Zeit für sich selbst nehmen und sich etwas Gutes tun“, sagte Dominique Giang. Mit einer eigenen Sprechstunde im Brustkrebszentrum soll dem Thema Naturheilverfahren künftig noch mehr Bedeutung beigemessen werden, stellte Prof. Krauß in Aussicht.

Weil Krebs nicht nur den Körper der Patientinnen, sondern auch deren Psyche und das ganze Umfeld belastet, ist die Arbeit des Psychoonkologen-Teams am Klinikum von großer Bedeutung. Die Patientinnen werden auf Wunsch während des gesamten Behandlungsverlaufs begleitet. „Nach dem ersten Schock reagieren die Frauen oft mit Wut, Angst, Depression oder Verunsicherung“, beschrieb Psychoonkologin Andreea Ivascu die Emotionen der Betroffenen. Auch für die Angehörigen bedeute die Krebserkrankung eine Rollenveränderung, einhergehend mit Verlust- und Zukunftsängsten. Bei den Kindern seien häufig Schwierigkeiten in der Schule, Aggression oder Rückzug zu beobachten. Auch ihnen gelte in der Krankheitsphase der Mutter deshalb besondere Zuwendung.

Elke Zanner