Jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist adipös, spricht fettleibig. Für Menschen mit besonders hohem Übergewicht ist eine bariatrische Operation oft die einzige Möglichkeit, Gewicht zu verlieren und wieder Lebensqualität zu bekommen. Für diese Patienten ist das Stoffwechselzentrum am Klinikum Passau eine wichtige Anlaufstelle, hier werden sie fachübergreifend betreut. Die Chirurgie dieser Spezialabteilung hat nun eine hohe Auszeichnung erhalten: Sie ist zertifiziertes „Kompetenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie“. Dies ist in Niederbayern bislang das einzige.
Dr. Klaus Gerauer (Foto 2.v.r.) leitet die Adipositas-Chirurgie am Klinikum Passau. Schon seit 2011 führt er bariatrische Operationen durch, bei denen die Patienten zum Beispiel einen Magenbypass oder einen Schlauchmagen bekommen. Unterstützt wird er von seinem Kollegen Martin Steck (2.v.l.). Trotz der Corona-Pandemie führten die beiden allein in den Jahren 2021 und 2022 mehr als doppelt so viele Eingriffe durch wie für die Zertifizierung erforderlich ist. Im laufenden Jahr 2023 werden es etwa 150 Operationen sein. Dass sie ihre Arbeit mit hoher Sicherheit und Souveränität machen, wurde ihnen von Prof. Dr. Rudolf Weiner, einem Pionier der Adipositas-Chirurgie, bestätigt. Weiner kam für ein sogenanntes Audit ans Klinikum Passau, bei dem der gesamte Fachbereich unter die Lupe genommen wurde. Daraufhin erhielt das Klinikum das Zertifikat „Kompetenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie“. Neben der Mindestanzahl von 50 Eingriffen pro Jahr und dem hohen Erfahrungsschatz der Operateure sah der Auditor auch alle weiteren notwendigen Kriterien erfüllt, die von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Adipositastherapie und metabolische Chirurgie (CAADIP) vorausgesetzt werden.
Über das Zertifikat freuten sich nicht nur die Chirurgen Gerauer und Steck, die den Erfolg dem ganzen Team des Stoffwechselzentrums zuschreiben. Dazu gehören der Internist und Nephrologe Dr. Josef Leebmann (l.) sowie der Internist und Diabetologe Peter Weigl (r.). Vor und nach einer Operation sorgen sie für eine engmaschige Betreuung der Patienten, dabei werden sie von Ernährungsprofis unterstützt. Die Spezialisten der Abteilung kennen die Sorgen und Nöte ihrer Patienten, die häufig nicht nur unter dem Übergewicht leiden, sondern auch mit Folgeerscheinungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber oder Arteriosklerose kämpfen. Für Menschen mit sehr starkem Übergewicht ist eine Gewichtsabnahme auf klassischem Weg, etwa durch Ernährungsumstellung und Sport, oft nicht mehr möglich. „Diese Patienten werden immer mehr“, bestätigt Gerauer und erklärt: „Mittlerweile ist es anerkannter wissenschaftlicher Standard, dass bei Diabetes Typ 2 und gleichzeitigem Vorliegen einer schweren Adipositas die Operation allen anderen Therapieverfahren deutlich überlegen ist.“ Im günstigsten Fall können Diabetiker nach einer bariatrischen OP sogar auf Medikamente verzichten. Gerauer spricht deshalb auch von „chirurgischer Diabetes-Therapie“. Jeder Eingriff muss aber wohl überlegt sein. „Wir wissen, dass dies für die Patienten eine Entscheidung fürs Leben ist“, sagt Gerauer. Schließlich müssen sie nach dem Eingriff für immer ihre Ernährung und ihren Lebensstil ändern. Zudem ist eine lebenslange Nachsorge und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nötig, erklärt Gerauer.
Den hohen Qualitätsstandard, der den Operateuren des Kompetenzzentrums durch das Zertifikat bestätigt wurde, wollen sie weiter ausbauen und das Spektrum durch neue OP-Verfahren erweitern. Zu regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen sind die Ärzte verpflichtet.
(ez)